Notwendige Maßnahmen zum Umgang mit Crack- und Mix-Konsum in Bremen
Die Suchtszene in Bremen wächst. Als Reaktion auf eine eskalierende Situation am Bremer Hauptbahnhof wird seit drei Jahren und verstärkt seit Herbst 2022 eine sogenannte „Deeskalationspolitik“ betrieben: Die Suchtszene wird durch Polizeipräsenz vom Hauptbahnhof vertrieben. Die Suchtkranken sind dadurch gezwungen, an andere Orte im öffentlichen Raum auszuweichen. In der Folge haben sich neue Hot Spots entwickelt, an denen offen Drogen konsumiert werden, unter anderem am Lucie-Flechtmann-Platz. Als Stadtgärtner:innen und Anwohner:innen beobachten wir eine zunehmend aggressive Szene, die sich auf dem Platz und im umliegenden Quartier ausbreitet. Es werden offen Drogen konsumiert. Benutztes Drogenbesteck liegt herum.
Obwohl die Arbeitszeit der Streetworker erst kürzlich auf eine volle Stelle aufgesteckt wurde, stehen diese der Situation allein gegenüber und haben keine Möglichkeit, der zunehmend eskalierenden Situation angemessen zu begegnen. Zudem beobachten wir, wie auch die Situation der Suchtkranken immer prekärer wird.
Wir können die von uns übernommene Verantwortung für den öffentlichen Raum unter diesen Bedingungen nicht wahrnehmen. Wir fühlen uns unsicher, bedroht und überfordert. Die Nutzung des Lucie-Flechtmann-Platzes als Aufenthaltsort für den Stadtteil und als Ort für Klimabildung ist nicht mit einem angegliederten Szenetreff zu vereinbaren. Der offene Drogenkonsum auf dem Platz dominiert und macht jegliche andere Nutzung, insbesondere Umweltbildungsangebote für Kinder und Jugendliche unmöglich.
Als Stadtgärtner:innen wünschen wir uns daher einen Umzug des Szenetreffs an einen ebenso zentralen, aber blickgeschützteren Ort im Stadtteil.
Fachkräfte aus der bundesweite Drogenhilfe haben erst Anfang 2023 in den HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN zum Umgang mit Crack-Konsum im Kontext der Drogen- und Suchthilfe zusammengefasst, welche geeigneten Maßnahmen auch in Bremen zur Verfügung stünden. Darauf basierend, sowie basierend auf Gesprächen mit Fachkräften der Bremer Drogenhilfe, muss die Finanzierung folgender Maßnahmen im noch zu verabschiedenden Haushalt dringend berücksichtigt werden:
1. Einrichten von Szenetreffs in den Stadtteilen Neustadt, Gröpelingen und Burg/ Grambke
Es ist aus Sicht der Drogenhilfe sinnvoll, die Szene zu entzerren und neben dem Hauptbahnhof weitere Szenetreffs in der Stadt zu etablieren. In Bremen gibt es eine offene Szene am Bahnhof, in der Neustadt, in Gröpelingen sowie in Burg/Grambke. In diesen Stadtteilen ist es nötig, Drogenakzeptanzorte/Szenetreffs einzurichten, die durch Fachpersonal betreut werden. Die Situation in Tenever sollte beobachtet und ggfs. ebenfalls berücksichtigt werden. Das Einrichten von Szenetreffs ermöglicht eine kontrollierbare Herangehensweise, durch die sowohl die Sicherheit im öffentlichen Raum als auch die Betreuung der Suchtszene angemessen gewährleistet werden kann. Alle an der Bereitstellung von Szenetreffs beteiligten Akteure (Stadtplanung, Polizei, Beirat, Anwohner:innen, …) sollten für der Notwendigkeit von Szenetreffs sensibilisiert werden.
Um die Suchtszene lenken und betreuen zu können, müssen die Szenetreffs wie folgt ausgestattet sein:
- Drogenkonsumraum: Fest angemietete Räumlichkeiten, in den das Konsumieren von Drogen akzeptiert ist. Der Drogenkonsumraum muss täglich rund um die Uhr (365 Tage, 24h) geöffnet sein. Entsprechendes Fachpersonal für die Betreuung muss eingestellt/ beauftragt werden. Um den Zugang zum Drogenkonsumraum dauerhaft zu gewährleisten, sind mögliche Personalengpässe bei Krankheit oder während Urlaubszeiten unbedingt zu berücksichtigen.
- Angegliederte Aufenthaltsräume/ Café: Fest angemietete Räumlichkeiten, in denen die Suchtkranken sich aufhalten können und für Mitarbeitende der Drogenhilfe ansprechbar sind. Entsprechendes Fachpersonal für die Betreuung muss eingestellt/ beauftragt werden.
- Akzeptanzort im an den Drogenkonsumraum angrenzenden öffentlichen Raum: Die Beschaffung der Drogen muss im Umfeld des Drogenkonsumraumes möglich sein. Die Suchtkranken werden sich, vor allem im Sommer, auch im Umfeld des Konsumraumes aufhalten. Dies muss bei der Einrichtung berücksichtigt und geeignete Flächen im angrenzenden öffentlichen Raum vorgesehen werden.
- Hier muss eine tägliche Reinigung durch die Stadtreinigung oder andere beauftragte Träger erfolgen. Die tägliche Reinigung muss das aktive Absuchen nach Kanülen insbesondere in der Nähe von Sitzgelegenheiten beinhalten.
- Fest angemietete Schlafstätten/ Regenerationsstätten für Suchtkranke: Für Suchtkranke in besonders prekären Situationen müssen Schlafplätze zur Verfügung stehen, die täglich rund um die Uhr zugänglich sind. Hier ist ein separater, geschützer Raum für FLINTA-Personen wichtig.
Für die Einrichtung von Szenetreffs in den Bremer Stadtteilen Neustadt, Gröpelingen und Burg/ Grambke müssen 2.268.000,00 € pro Kalenderjahr im nächsten Haushalt bereitgestellt werden.
(Auf Nachfrage können wir hier gerne eine genaue Darlegung der dafür notwendigen Posten und ihrer Berechnung vorlegen.)
2. Erhalt und Ausbau von Hilfsangebote für Suchtkranke
Während die oben genannten Maßnahmen ermöglichen, die Suchtszene zu lenken und den öffentlichen Raum zu entlasten, müssen daran anknüpfend Hilfsangebote für Suchtkranke gemacht werden. Nur über Hilfsangebote können die Menschen einen Weg raus aus der Sucht finden, die Drogenszene wieder verkleinert und das Problem langfristig und nachhaltig gelöst werden. Folgende Hilfsangebote sind im Rahmen der Szenetreffes und darüber hinaus anzubieten
- Niedrigschwellige Substitution: mobile oder an die Drogenkonsumräume angegliederte Vergabe von Substitutionsmitteln, die auch Suchtkranke erreicht, die nicht oder nicht mehr krankenversichert sind.
- Notunterkünfte für Drogensüchtige im Umfeld der Szenetreffs
- Ausbau des Programms „Housing first“
- Beratungsangebote
3. Einsatz von Drogenkonsummobile als Übergangslösung bis zur Einrichtung fester Szenetreffs
Um den öffentlichen Raum zu entlasten müssen als sofortige Übergangslösung bis zur Einrichtung fester Szenetreffs Drogenkonsummobile eingesetzt werden, die nach Vorbild des Angebots des Berliner Vereins fixpunkt e.V. den Konsum mitgebrachter Substanzen unter pflegerisch- mediziner Aufsicht ermöglichen.
Für weitere Gesprächen stehen wir gerne von dem Verein KulturPflanzen e.V. zur Verfügung.
Bremen, 27.06.2023