Vogel mit Wurm

Jahresrückblick 2019

Kinoauftritt, Müllmurmelbahn, Biomeiler-betriebene Frühbeete, Patchworkmauern und Bienenschwärme… Nach der Winterpause ist bereits verblasst, was 2019 alles auf der Lucie passiert ist. Deswegen schaut mal in den Jahresrückblick: Die beste Einstimmung auf ein neues Lucie-Gartenjahr 2020!

Winter und Frühling 2019

Noch sieht es auf der Lucie recht ungemütlich aus, auch wenn sich seit der Umgestaltung bereits viel getan hat. Das Gartenjahr hat noch nicht wieder begonnen und der Platz liegt im Winterschlaf. Die Gärtner*innen freuen sich über die verdiente Verschnaufpause. Doch so langsam juckt es wieder in den Fingern.

Im Januar 2019 treffen sich die Stadtgärtner*innen zum ersten Treffen des Jahres und planen das nächste Gartenjahr. Dabei geht es um die Strukturen in der Gruppe und auch leidige Themen, wie Öffentlichkeitsarbeit, Finanzen oder E-Mails beantworten. Die Termine für das Jahr werden festgelegt und erste Pläne geschmiedet, was auf dem Platz in 2019 passieren soll. Im Februar folgt dann in kleinerer Runde die Anbauplanung. Seitdem es die großen Beete im hinteren Teil des Platzes gibt, kann für jedes Jahr geschaut werden, welche Pflanzen in der Fruchtfolge nun wohin passen.Ein Highlight zu Beginn des Jahres ist die Filmpremiere am 4. Februar im City 46. Seit 2014 wurde die Umgestaltung des Platzes filmisch begleitet. Entstanden ist eine 30-minütige Dokumentation der Transformation von Orhan Calisir und Dirk Meißner. Zur Premiere kommen nicht nur die Lucies, sondern auch langjährige Lucie-Unterstützer*innen im City 46 zusammen. Es ist kein einziger Platz mehr frei.

Die Lucies im City 46

Derweil ist auch unsere Umweltpädagogin nicht untätig und baut mit unseren Bundesfreiwilligendienstleistenden in Kooperation mit der Schwankhalle und sechs Klassen verschiedener Grundschulen eine große Murmelbahn aus Müll. Das Thema Müllvermeidung wird dabei schon im Vorfeld während Besuchen in den Schulen thematisiert. Die Müllmurmelbahn kann dann während des Dingfestes in der Schwankhalle am 24.02.2019 öffentlich genutzt werden.

Müllmurmelbahn in der Schwankhalle

Ganz besonders freuen wir uns im Februar, dass Toto, unser Bufdi (Bundesfreiwilligendienst) aus Nicaragua, auf der Lucie anfängt. Er wird in den kommenden acht Monaten eine große Unterstützung für das Projekt sein, z. B. beim Gießen, dem Bau eines Insektenhotels und vielem mehr.

Auch die ersten Bautermine finden statt und die im Winter 2018 angefangene Bienenplattform auf den Containern bekommt ein Geländer. Im Laufe des Jahres kommen noch eine Flugzeugtreppe zum Hinaufgehen, sowie ein Verschlag unter der Treppe und eine Verkleidung derselben hinzu. Die wir, Dank des Irgendwo, aus unbesäumten Brettern mit Borke bauen können. Ein echter Hingucker.

Bienenplattform auf dem Materialcontainer

Am 21.03. ist Frühlingsanfang, doch für die Garten-Liebhaber*innen beginnt die Saison deutlich früher. Schon Ende Februar sollten die ersten Samen zur Anzucht in die Erde gebracht werden, damit das Gartenjahr ertragreich wird. Woher genau das Saatgut kommt, aus dem später Erbsen, Tomaten oder Wildblumenvielfalt sprießen, wird leider oft vernachlässigt. Am 9. März gibt es deshalb, wie in den vorangegangenen Jahren, wieder eine Saatguttauschbörse, dieses Mal im Güterbahnhof. Initiiert von den Gemeinschaftsgärtner*innen von ‚Ab geht die Lucie‘ lädt ein breites Bündnis aus Lucies, Bremen im Wandel, BUND Bremen, KlimaWerkStadt, Gärtnerhof Oldendorf und dem Team Hofgrün des Güterbahnhofs ein, um regionales, samenfestes Saatgut zu bewahren und zu verbreiten. Ein buntes Rahmenprogramm informiert die Besucher*innen über das noch viel zu unbekannte Thema Saatgut, macht Lust auf Sommer und Sortenvielfalt im Garten und bietet die Gelegenheit, mit den Organisator*innen der Tauschbörse ins Gespräch zu kommen.

Tauschtisch bei der Saatguttauschbörse

Auch für die Stadtgärtner*innen heißt es wieder Saatgut sichten, tauschen, dazu kaufen und Anzucht starten. Dabei hilft das Projekt einer Gruppe von Studierenden der HSB, die sich mit Biomeilern befassen und auf der Lucie einen Mini-Meiler aufbauen, dessen Wärme für die Anzucht genutzt werden soll. Dazu gehören drei Anzuchtbeete, in denen auch bei Frost viele der Setzlinge den kalten Temperaturen trotzen.

Mini-Biomeiler mit Anzuchtkästen

Ende März holen wir von einer Bio-Baumschule zusätzlich etwa 30 kleine Sträucher: z. B. Holunder, Sanddorn, Kornelkirsche, Himbeeren, Eberesche, Blaubeeren und vieles mehr. Die Sträucher werden am Rand des Platzes und im vorderen Bereich verteilt, der noch etwas kahl wirkt. Hier soll es in Zukunft eine richtige Naschecke geben. Anfang April ist dann offizieller Saisonstart. Bei den ersten warmen Sonnenstrahlen wird gesät und gebaut, es entstehen Bänke und der Kompost wird umgesetzt. Kinder können mit Weidenruten basteln und einen Zaun für das zukünftige Färberpflanzen- und Umweltbildungsbeet bauen. Frühling liegt in der Luft.

Buntes Treiben beim Saisonstart

Bei einer Pflanzentauschbörse unseres Schwesterprojekts „KlimaWerkStadt“ können überzählige Setzlinge getauscht werden. Für die Lucie fällt natürlich auch was ab. Und auch der erste Flohmarkt des Jahres findet im April statt. Bis Oktober gibt es nun an jedem letzten Sonntag des Monats Flohmarkt auf der Lucie – mit Kaffee und Kuchen, vielen bunten Ständen, gut gelaunten Menschen, Musik und oft genug Sonne ohne Ende.

Neben der jährlichen Vollversammlung des Vereins ziehen im Mai dann endlich die Lucie-Bienen um und kommen zurück auf den Platz, auf die extra dafür gebaute Plattform. Drei Bienenfamilien sind es und übernehmen die Bestäubungsarbeit auf dem Platz, aber auch in der Neustädter Umgebung. In den folgenden Monaten findet auch mehrfach ein Stammtisch für Imker*innen statt.

Die Lucie-Bienen ziehen in ihr neues Heim

Im Mai findet zudem die erste von zwei Fortbildungen mit Auszubildenden des Paritätischen Dienstes statt, bei der ein Färbergarten angelegt wird. Im Juli besucht uns dann eine andere Klasse und lernt fleißig Insektennisthilfen zu bauen, welche später Platz in unserem Insektenhotel finden.

Eines unserer Großprojekt dieses Jahr ist das Hochbeet, das uns so schnell niemand nachmacht! Das wohl größte Hochbeet der Stadt mit 30 Kubikmetern Erde, 12 Kubikmetern Schotter und 15 Tonnen Steinen. Um das Sichelbeet in der Mitte des Platzes bauen wir zusammen mit fleißigen Helfer*innen der Firma Thermo Fischer Scientific und dem Garten- und Landschaftsbauunternehmen Baumrausch eine riesige Trockenmauer. Die Steine sind dabei zu 100% recycelt – das nennen wir Naturgarten.

Das Sichelbeet bekommt eine Trockenmauer

Bei uns vermischen sich nun Betonplatten mit Klinker, Sandstein und vielem anderen – mit vielen kleinen Ritzen als zu Hause für Insekten. Uns dient die Mauer als Sitzgelegenheit. Inklusive Tischen. Die Helfer*innen sind so fleißig, dass am nächsten Tag sogar noch eine Kräuterschnecke aus Trockenmauer gebaut werden kann. Das Sichelbeet ist da schon fast fertig.

Sommer

Auch in diesem Jahr ist der Sommer wieder besonders heiß und trocken und schon früh muss auf der Lucie regelmäßig gegossen und die Wasser-Tonnen aufgefüllt werden. Auch bei den Flohmärkten im Sommer sind die wenigen Schattenplätze morgens als erstes weg. Am 21. Juni gibt es bei strahlendem Sonnenschein einen weiteren Workshop mit Baumrausch, bei dem das große Sichelbeet endlich bepflanzt wird. In die mittlerweile recht trockene Erde kommen ausschließlich essbare Stauden und das Beet wird zum zentralen Hingucker auf dem Platz und liegt nun nicht mehr brach. Auch die Kräuterspirale wird nach und nach bepflanzt – über den Sommer gedeihen dort z. B. Salbei, Rosmarin, Zitronen-, Zimt- und rotes Buschbasilikum und noch vieles andere.

Am 14. Juli und später noch einmal im August bekommt die Lucie Besuch von einer internationalen Jugendgruppe, welche bei strahlendem Wetter tatkräftig gärtnert und aufräumt. Unter anderem pflanzen sie um die 30 vorgezogene Hibiskuspflanzen rund um die Rasenflächen.

Im Laufe des Sommers bekommt die Lucie außerdem ein eigenes Klo für Veranstaltungen und es wird ein riesiges Insektenhotel gebaut – das Gerüst von zwei Lucies, die Nisthilfen darin im Rahmen des Kinderprogramms mit Umweltpädagogin Nicole.

Insektenhotel

Das von Anfang März bis Ende Oktober angebotene offene Veranstaltungsprogramm für Kinder beinhaltet auch ein Sommerferienprogramm, das zum umweltpädagogischen Highlight wird. In der „Wilden Woche“ sind die Kinder ganztägig draußen, kochen ihr eigenes Essen und lernen, verschiedene Dinge herzustellen. Die Hitze ist dabei eine große Herausforderung. Am Ende der Ferien können die Kinder bei einem Ausflug zur Verdener Düne verschiedene Tierspuren kennen lernen, wie Rehbetten, Reviermarkierungen und verschiedene Trittsiegel und Fraßspuren.

Kinderangebot

Nach den Sommerferien besucht uns wieder regelmäßig die „Natur und Du – AG“ der Grundschule Oderstraße. Seit April kommen sie im zweiwöchigen Rhythmus zu uns, um den Jahresverlauf im Garten mitzuerleben. Sie halten Veränderungen im Garten in einem Tagebuch fest und helfen tatkräftig im Garten mit, sei es beim Unkraut jäten im Färberbeet oder Bepflanzen des neuen Hochbeetes.

Ein weiteres größeres Projekt ist der virtuelle Umzug der Lucie vom Blog auf die neue Webseite: https://lucie-bremen.de/ Hier finden Interessierte seit Juli alles Wissenswerte zum Projekt, Aktuelles, Termine, Bilder und vieles mehr. Der ursprüngliche Blog besteht noch als Archiv weiter. Für den Umweltbildungsbereich wird die Extraseite Kids & Co eingerichtet, wo nun alle Angebote für Kinder und Jugendliche, sowie Gruppen übersichtlicher aufgeführt sind.

Herbst und Winter

Mitte September ist es dann so weit und ein gemeinsamer Gruppenausflug steht an. Es geht zum Essgarten von Frits Demter bei Wildeshausen. In einer ausführlichen Führung wird eine breite Sortenvielfalt an essbaren Stauden gezeigt. Wir sind beeindruckt, was die Natur uns zum Verspeisen schenkt.

Am 20. September ist außerdem Großdemo von Fridays for Future. Auch in der Westerstraße, genau zwischen Lucie und KlimaWerkStadt wird ein Stopp eingelegt, bei dem auch eine Lucie eine starke und emotionale Ansprache hält. Direkt im Anschluss dürfen ein paar Pflanzkübel von der Lucie einen Ausflug machen und beim ParkingDay die Picknickplätze verzieren.

So langsam wird es etwas ruhiger, wenn es auf das Ende des Gartenjahres zugeht. Im Oktober feiern wir bei strömendem Regen noch ein kleines Erntefest. Apfelsaft pressen wir wegen des Wetters nicht, aber dafür wird leckere Suppe über dem Feuer gekocht und der Garten freut sich über das Wasser.

Wir beginnen nun damit, die Lucie für den Winter fest zu machen. Wir rechen Laub und verteilen es als Mulchschicht auf den Beeten. Außerdem setzen wir den Kompost um und ernten ganz ordentlich beste neue Erde.

Ende Oktober verabschieden wir uns von Toto, der leider zurück nach Nicaragua fliegt. Wir wünschen ihm alles Gute und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen!

Die letzte Veranstaltung für Kinder und ihre Eltern am 10. November ist gut besucht und jede*r kann lernen, wie man Feuer ohne Feuerzeug macht und verschiedene Lichtquellen, wie z. B. Öllampen und Fackeln selber herstellt.

Zu guter Letzt zeigt ein umweltpädagogisches Angebot noch seine Wirkung und soll deswegen im folgenden Jahr fortgesetzt werden. Nicole hatte Veranstaltungen für Grundschulklassen mit verschiedenen Themen für die Monate August – November erarbeitet und beworben. Vier Klassen aus drei Grundschulen nehmen das Angebot im Herbst wahr und zwei Klassen der Grundschule Kantstraße wollen nun regelmäßig in den Garten kommen.

Ende November geht der Garten für Alle dann wieder in die Winterruhe, genauso wie die Gärtner*innen. Bei mehreren Gelegenheiten werden noch mal Feuer gemacht und schon Pläne fürs nächste Jahr geschmiedet.

Stockbrot über der Feuerschale

Exkurs: Der Unterstand der Inneren Mission

Schon vor dem Beginn des Projektes in 2013 hält sich auf dem Platz eine Gruppe von zum Teil suchtkranken „Stammgästen“ auf. Im Laufe der Zeit kommt es immer wieder zu Konfliktsituationen. Im Großen und Ganzen gelingt aber beiden Gruppen, den „Stammgästen“ sowie den Gärtner*innen, meist eine friedliche Koexistenz, auch wenn es für das Projekt eine zusätzliche Belastung darstellt, den Platz immer wieder vom Müll zu befreien, den vor allem die „Stammgäste“ hinterlassen, ihn zu entsorgen und sich mit Beschwerden von Anwohner*innen und Anrainer*innen des Platzes auseinanderzusetzen. Um so mehr freuen sich die Gärtner*innen deshalb, als erneut eine Streetworker-Stelle der Inneren Mission bewilligt wird. Streetworker Christian baut gemeinsam mit einigen „Stammgästen“ einen mobilen Unterstand, der im Frühjahr 2019 im vorderen Bereich des Lucie-Flechtmann-Platzes, unterhalb der von den Gärtner*innen genutzten Fläche, aufgestellt wird. Der Unterstand hat Sitzgelegenheiten, eine eigene abschließbare Toilette und einen eigenen Abfallbehälter.

Zunächst skeptisch bei der Anfrage durch Ortsamt und Beirat, den Unterstand als erstes auf dem Platz aufzubauen, zeigt sich im Laufe der folgenden Monate, welche Erleichterung dieser sowohl für die „Stammgäste“ als auch für die Gärtner*innen ist. Besonders spürbar wird dies, als er nach drei Monaten in die Neustadtswall-Anlagen umziehen muss und dort den Sommer über steht. Beim erneut fälligen Standortwechsel zieht der Unterstand deshalb zurück auf die Lucie, was von den allermeisten begrüßt wird.